
10 Jahre Dieselgate - und schon wieder steht die Branche Kopf
Als 2015 „Dieselgate“ aufflog, war die Branche erschüttert. Volkswagen, Audi und Porsche standen im Zentrum der Anschuldigungen, doch bald wurde klar: Das Problem reichte viel tiefer in die Industrie. Der Skandal führte nicht nur zu milliardenschweren Strafzahlungen, sondern auch zu einer technologischen Zeitenwende. Politik und Hersteller bremsten den Diesel aus und beschleunigten den Wechsel hin zur Elektromobilität.
Doch diese Transformation war und ist teuer. Die Kosten unter anderem für neue Abgasreinigungssysteme und die Entwicklung neuer Antriebstechnologien werden primär auf die Kunden abgewälzt. Im Kleinwagensegment fällt der Anstieg besonders deutlich aus: Laut Leasingmarkt.de (Teil der AutoScout24-Gruppe) hat sich der Durchschnittspreis von rund 13.200 Euro im Jahr 2012 auf 25.200 Euro im Jahr 2025 nahezu verdoppelt - stärker als in allen anderen Fahrzeugklassen.
Die Welt streitet über das Ende des Verbrenners
Heute, zehn Jahre später, erlebt die Branche eine neue Krise. Die E-Mobilität, einst als einzig wahre Lösung gefeiert, stößt früh an ihre Grenzen: Weltweit laufen Förderungen aus, die Nachfrage liegt hinter den einstigen Erwartungen zurück, und besonders in Deutschland bleiben hohe Stromkosten und fehlende Infrastruktur ein Hemmschuh.
Der Blick über den Tellerrand offenbart allerdings einen noch deutlich krasseren Wandel: In den USA hat der Senat 2025 eine Resolution verabschiedet, die das kalifornische Verbot von reinen Verbrenner-Neuwagen ab 2035 blockieren soll. Kalifornien klagt dagegen - der Ausgang offen. Gleichzeitig versucht die Umweltbehörde EPA, CO2 zukünftig nur noch als Treibhausgas, nicht aber als Schadstoff einzustufen. Die Folgen dieser Entscheidung könnten maßgeblich das US-Geschäft aller namhaften Autobauer betreffen und einen Wettbewerbsnachteil besonders für stark regulierte europäische Hersteller nach sich ziehen.
So könnten sich US-Autobauer weitere Milliarden in der Abgasreinigung und Entwicklung sparsamerer Motoren sparen, Verbrenner-Modelle im Vergleich günstiger anbieten und müssten gleichzeitig nicht mehr auf einen Maximalverbrauch achten. Die USA haben unter der zweiten Trump-Regierung zudem alle Förderungen für Elektroautos gestrichen.
Speziell beim Thema Verbrenner-Aus zeigt sich: Auch China und Indien, zwei der wichtigsten Automärkte der Welt, haben, anders als die Europäische Union, nie ein konkretes Enddatum für den Verbrenner festgelegt. Während die EU in diesem Jahr noch prüfen will, ob sie am 2023 beschlossenen Neuwagen-Verbrenner-Aus für 2035 festhalten will, setzen China und Indien auf mehr Flexibilität. Indien will bis 2030 immerhin eine rein elektrische Neuwagen-Verkaufsquote von 30 Prozent erreichen, in China hingegen sollen Verbrenner noch bis ins Jahr 2060 eine Rolle spielen.
Hersteller rudern reihenweise zurück
Die Folgen sind mittlerweile auch öffentlichkeitswirksam spürbar: Audi und Porsche haben ihre elektrischen Leuchtturmprojekte gestoppt. So wurden die Mittel für den nahezu fertig entwickelten RS 6 e-tron gestrichen und das neue Siebensitzer-SUV aus Stuttgart (intern K1) wird nur noch mit Verbrennern weiterentwickelt. Auch der als reiner Elektro-Sportler geplante 718-Boxster-Nachfolger soll zumindest in den Top-Varianten wieder einen Verbrenner tragen. Was dies für das kürzlich vorgestellte Audi Concept C bedeutet, das die gleiche technische Basis nutzt, bleibt offen.
Mercedes-Benz hat wiederum angekündigt, V8- und V12-Motoren weiterzuentwickeln und plant ein neues Einstiegsmodell unterhalb des neuen CLS, der als A-Klasse-Nachfolger gehandhabt wird - selbstverständlich auch mit Benzinmotoren.
Und Volkswagen? Der neue e-Golf wurde sicherheitshalber auf 2030 verschoben, und die nächste Generation des Polo (genauso wie der T-Cross) wird wohl parallel mit Ottomotoren im Programm bleiben. Dazu würde passen, dass sich Volkswagen von seinen neuen ID-Bezeichnungen löst und die bekannten Namen wieder stärker in den Fokus rückt.
Erstaunlich ist zudem der Wandel bei chinesischen Herstellern. Electric-first scheint nicht mehr oberste Prämisse zu sein, wie auch das 2024 gegründete Joint Venture zwischen Renault und Geely mit dem Namen „Horse Powertrain“ zeigt. Das Unternehmen konzentriert sich auf die Produktion von Motoren und Getrieben und soll neue Verbrenner und Hybride entwickeln - nicht nur für Renault, sondern auch für Volvo und möglicherweise weitere (Geely-)Marken. Während hier von verbrauchsarmen Motoren die Rede ist, hat Great Wall Motors (GWM) auf der Auto Shanghai 2025 einen neuen 4,0-Liter-Twin-Turbo-V8 als Plug-in-Hybrid vorgestellt.
Nicht nur BYD versucht derzeit, die von der EU verhängten Strafzölle zu umgehen, indem verstärkt Plug-in-Hybride nach Europa exportiert werden - diese sind lediglich mit dem regulären Einfuhrzoll von zehn Prozent belegt. Doch der Schachzug trifft auf eine ohnehin schwierige Gesamtlage: Der chinesische Automarkt gleicht aktuell einer Blase, Autos stehen sich an Häfen und auf Parkplätzen die Reifen platt - es fehlt an Abnehmern. Laut einem Bericht von n-tv rechnet die Beratungsgesellschaft Alix Partners zudem damit, dass von den derzeit 129 Elektro- und Hybridmarken aus China bis 2030 nur rund 15 überleben werden. Vor diesem Hintergrund wirkt das Schweigen aus Brüssel umso bemerkenswerter.
Vom Touchscreen zurück zum Knopf
Der neuerliche Wandel betrifft allerdings nicht nur die Art des Antriebs, sondern zunehmend auch die Innenräume. Nach Jahren der Display-Inflation mit immer weniger physischen Bedienelementen wächst die (Kunden-)Kritik. Hyundai und Mercedes haben bereits eingeräumt, dass klassische Tasten in vielen Fällen die bessere und auch sicherere Lösung sind.
BMW wiederum versucht mit dem Panoramic iDrive in der „Neuen Klasse“ ein neues Bedienkonzept, das eine große Projektionsfläche in den Mittelpunkt stellt. Trotz aller Experimente scheint der Höhepunkt der „Knopflosigkeit“ bereits erreicht.
Fazit: Die Transformation der Transformation
Zehn Jahre nach Dieselgate steht die Autoindustrie erneut am Scheideweg. Die radikale Fokussierung auf Elektromobilität funktioniert nicht, wenn Kunden sie nicht akzeptieren. Elektromobilität bleibt ein wichtiger Teil der Zukunft, ist aber nicht alternativlos. Politik und Hersteller müssen akzeptieren, dass Mobilität vielfältig und bezahlbar bleiben muss. (Text: tv)