Oldie-Test Audi-Porsche Avant RS2 (1995): Das Urgestein

Der Audi-Porsche Avant RS2 gilt als Urvater aller RS-Modelle. Mit Sportwagen-DNA, 315 PS und legendärem Fünfzylinder-Turbomotor setzte er neue Maßstäbe für dynamische Familienkombis. Heute ist der RS2 ein gesuchter Klassiker mit Seltenheitswert. Wie er sich fährt, zeigt unser Fahrbericht.

Der Avant RS2 auf einen Blick

  • Bauzeit von März 1994 bis August 1995
  • Stückzahl: 2.908
  • 2,2-Liter-Turbo-5-Zyl. mit 315 PS
  • Innen gediegener Luxus der 90er
  • Ehemaliger Neupreis: ca. 100.000 DM

Audi RS2 - Frontansicht

Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Audi-Porsche

Selbstverständlich war der Avant RS2 (in dieser Reihenfolge und ursprünglich ohne vorangestellte Herstellerbezeichnung vermarktet) nicht das erste Sportmodell auf Basis eines Audis. Aber der lediglich zwischen 1994 und 1995 angebotene Performance-Kombi legte den Grundstein für den heutigen Erfolg der RS-Modelle. Weder Mercedes-Benz noch BMW glaubten damals (trotz Mercedes-Benz 300 TE AMG und E34 M5 Touring) an den anhaltenden Erfolg von besonders sportlichen Familienlastern. Die eigens für den Bau des RS2 gegründete Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Audi-Porsche, die auch als Hersteller in den Fahrzeugunterlagen auftritt, sah dies offenkundig etwas anders.

Dass der Avant RS2 nicht nur flott Gepäck transportierte, sondern im Zweifel sogar einem Porsche Turbo Beine machen konnte, war natürlich kein Zufall. Schließlich zeichnete sich der Porsche-Teil der ARGE unter anderem für die Weiterentwicklung des aus dem Audi S2 Coupé abgeleiteten, 315 PS starken 2,2-Liter-Fünfzylinder-Turbomotors (ADU) verantwortlich. Der Sportwagenbauer kümmerte sich um die Abstimmung der Motorsteuerung, empfahl die Verwendung anderer Turbolader und optimierte die Ansaug- und Abgasanlage. Die Unterstützung der Audianer war allerdings nicht ganz uneigennützig: Die Stuttgarter, Anfang der 1990er-Jahre finanziell in Schieflage geraten, nutzten externe Aufträge (über die Porsche Engineering GmbH), um Geld in die klammen Kassen zu spülen. So entstand übrigens auch eine weitere Legende: Der Mercedes-Benz 124 500 E.

Audi RS2 - Motorraum
Audi RS2 - Motorblock Audi RS2 - Logo

Der Avant RS2 kostete neu rund 100.000 DM

Knapp 100.000 DM musste man derweil hinlegen, um den bei Porsche montierten Performance-Audi-80 sein Eigen nennen zu können. Zum Vergleich: Ein 911 Carrera (993) kostete 1995 bereits über 132.000 DM. Auf der anderen Seite verlangten die Ingolstädter für einen normalen Audi 80 Avant quattro 2.3 E mit knapp 53.000 DM nur etwa die Hälfte. Und weil wir gerade bei den Preisen sind: Für einen gebrauchten RS2 muss man im Jahr 2025, je nach Zustand und Laufleistung, zwischen 50.000 und 80.000 Euro bereithalten.

Neben dem ikonischen Fünfzylinder-Turbomotor setzte sich der RS2 auch in anderen Belangen von einem schnöden Buchhalter-Audi-80 ab: Außenspiegel, 17-Zöller und Blinker stammten vom Porsche 964 beziehungsweise 993. RS-spezifische Stoßstangen vorne und hinten sowie das optisch durchgezogene Leuchtenband in der Heckklappe (das Kennzeichen wanderte weiter unten in die Stoßstange) zitierten ebenfalls die beiden genannten Porsche-Baureihen.

Zusammen mit der dezenten Tieferlegung und der Sonderfarbe „Smaragd Perleffekt (Z6U)“ steht der von uns gefahrene Avant RS2 aus dem Fundus der Audi Tradition damit deutlich bulliger und breiter vor einem und kaschiert recht imposant seine gutbürgerliche Herkunft. Doch waren die genannten Anpassungen nicht nur optischer Natur, sondern hatten teils auch einen technischen Hintergrund. Hinter der geänderten Frontstoßstange fand etwa ein Ladeluftkühler Platz. Außerdem gelang es durch die aerodynamische Ausformung, die 4-Kolben-Sportbremsanlage (Porsche 968 CS) mit ihren 322 Millimeter großen Bremsscheiben aus dem Porsche 993 Turbo besser zu kühlen.

Audi RS2 - Seiten-Heckansicht

Fahreindruck: Unspektakulär souverän

Eine ordentliche Bremse zu haben, konnte bei der gebotenen Leistung nicht schaden – auch wenn diese nach heutigen Maßstäben nicht mehr ganz so bissig erscheint. Die 315 Turbo-PS bei einem Ladedruck von 1,4 bar und 410 Nm bei 4.000 U/min beschleunigen den Avant in 5,8 Sekunden von null auf 100 km/h. Das nicht abgeregelte Spitzentempo lag bei 262 km/h. Nicht, dass diese Werte heute noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken würden – anno 1995 war man damit auf der linken Autobahnspur aber schon ziemlich allein unterwegs.

Und wie fühlt sich das aufgelistete Zahlenwerk gut 30 Jahre später im Selbstversuch an? Kurz und knapp: unspektakulär souverän. Man ist das Turbofahren ja heute gewohnt – selbst als jemand, der das Auto nur als Werkzeug betrachtet, um trockenen Fußes von A nach B zu kommen. Größter Unterschied: Ein solch ausgeprägtes Turboloch ist heute kaum mehr bekannt.

Unter 4.000 Touren passiert wenig, erst darüber wird deutlich, weshalb der RS2 zur Fünfzylinder-Legendenbildung beigetragen hat. Kernig, rass und heißer faucht dich der Fünfender an. Unweigerlich schießen Bilder vom Rallye-Sport in den Kopf: Audi. Quattro. Röhrl. Gruppe B. Die 80er. Alles da – und für jedermann mit dem nötigen Kleingeld auch heute noch erlebbar. Spätestens beim flotten Ritt über die (nicht immer ganz trockene) Landstraße ergibt dann auch der permanente quattro-Allrad einen Sinn.

Die Kraftübertragung im Verhältnis 50 zu 50 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse erfolgt gänzlich mechanisch über ein Torsen-Differenzial. Bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h lässt sich auch die Hinterachse sperren. ABS gibt es serienmäßig, ESP dagegen nicht einmal gegen Aufpreis. Doch ohne den RS2 auf den Straßen und Gassen um Ingolstadt zu arg gefordert zu haben, erfährt man schnell seine neutrale, leicht kopflastige und damit gutmütige Auslegung. So geht sicheres Autofahren vor dem Assistentenwahn heutiger Zeiten.

Audi RS2 - Cockpit
Audi RS2 - Sitze Audi RS2 - Rücksitze

Qualität, die auch heute noch überzeugt

Ebenfalls nicht vergleichbar mit modernen Autos ist der Innenraum des Avant RS2. Ich selbst hatte als erstes Auto einen Audi 80 B4 mit ABT-Motor, ohne dass dieser je den gleichnamigen Audi-Veredler aus dem Allgäu näher kennengelernt hätte. Mir wäre allerdings mit 1,94 Metern nicht aufgefallen, dass die Platzverhältnisse selbst auf dem Fahrersitz derart beengt waren (oder man hat es schlicht verdrängt). Die eng anliegenden und etwas hoch montierten Recaro-Sitze tragen ihren Teil zu diesem Eindruck bei. Qualitativ bekam man als RS2-Kunde derweil eine Sattheit geboten, von der heutige Audi-Modelle nur träumen können.

Dickes Seidennappa, ordentliche Kunststoffe und ein klar ablesbares Kombiinstrument mit einem 300-km/h-Tacho sorgen für eine nüchterne Klarheit, die man etwa in einem neuen Audi S5 ab und zu vermisst. Sitzheizung ja, Klimaautomatik mit einer Zone und ein Tempomat – dann hört es mit dem Hightech schon wieder auf. Dafür passen in den Kofferraum nicht nur Luft und Liebe, sondern zwischen 365 und 1.250 Liter Gepäck. Nicht schlecht, für einen familientauglichen Sportwagen, der mit einem Leistungsgewicht von 5,1 kg/PS in einer Liga mit einem Ferrari 348 spielte.

Audi RS2 Kofferraum

Fazit

Was bleibt nach einigen Stunden mit und im ARGE Audi-Porsche Avant RS2 von 1995? Vor allem die Erkenntnis, dass dieses Auto in einer Epoche des Aufbruchs gebaut wurde. „Vorsprung durch Technik“ war keine Floskel, sondern gelebte Praxis. Man brach mit dem Gängigen und schuf einen Trend, dem sich einige Jahre später auch viele Mitbewerber nicht entziehen konnten. Heute sind die RS-Kombis der Ingolstädter gefragt wie nie – mittlerweile auch in Übersee. Einen anständigen RS2 gebraucht zu finden, erfordert vor allem das nötige Spielgeld. Insgesamt wurden zwischen März 1994 und August 1995 nur 2.908 Avant RS2 gebaut – auch vier Limousinen sollen im Versuch entstanden sein. Ein RS2 Coupé wurde indes von Porsche blockiert. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)

Technische Daten


Modell Avant RS2 2.2 20V Turbo (ADU)
Hubraum 2.226 cm³
Leistung 315 PS (232 kW) bei 6.500/min
Drehmoment 410 Nm bei 3.000/min
Antrieb Permanenter Allradantrieb (quattro)
Getriebe 6-Gang-Schaltgetriebe
0–100 km/h 5,8 s
Höchstgeschwindigkeit 262 km/h
Gewicht ca. 1.600 kg
Leistungsgewicht 5,1 kg/PS
Verbrauch (NEFZ) ca. 11,5 l/100 km
Abmessungen (L x B x H) 4.515 x 1.694 x 1.410 mm
Radstand 2.611 mm
Kofferraumvolumen 365–1.250 l
Stückzahl 2.908
Neupreis ca. 100.000 DM

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