Test Alfa Romeo Junior Elettrica: La passione unter Strom

Der Alfa Romeo Junior, einst als „Milano“ angekündigt, tritt nun als emotionales Elektro-SUV auf. Mit bis zu 280 PS, markantem Design und echter Alfa-DNA will er la passione in die Kompaktklasse bringen. Doch Reichweite, Fahrwerk und Ladeleistung bleiben nicht ohne Kritik.

Der Alfa Romeo Junior Elettrica Speciale auf einen Blick

  • Elektromotor mit 156 oder 280 PS
  • 54 kWh Batterie, bis 300 km Real-Reichweite
  • 100 kW DC-Schnellladen, 11 kW AC
  • Sabelt-Sportsitze & italienisches Design
  • Grundpreis (Deutschland) ab 39.500 Euro

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Modellübersicht: Aus Milano wurde Junior

Eigentlich sollte der neue Alfa den klangvollen Namen Milano tragen – ein Begriff, der sofort Bilder von Mode, Design, Eleganz und Dolce Vita heraufbeschwört. Doch kurz nach dem Marktstart machte die italienische Regierung einen Strich durch die Rechnung: Weil das City-SUV nicht in Italien, sondern im polnischen Tychy vom Band läuft, musste ein neuer Name her. Alfa Romeo griff auf Tradition zurück – und nannte ihn Junior, eine Bezeichnung, die schon in den 1960er-Jahren die Giulia GT Junior zierte.

Mit dem Junior Elettrica richtet sich die Marke nun an Lifestyle-orientierte Kompaktfahrer und tritt gegen Modelle wie den technisch verwandten Peugeot e-2008 und Jeep Avenger, aber auch gegen den VW ID.3 an. Doch während viele Konkurrenten auf rationale Argumente setzen, vertraut Alfa Romeo auf Emotion: markanter Scudetto-Grill, schwungvolle Linien, italienischer Esprit.

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Antrieb & Fahreindruck: Stromer mit wenig Temperament

Neben der Hybrid-Version bietet Alfa Romeo den Junior auch in zwei vollelektrischen Varianten an. Wir waren mit dem Elettrica unterwegs, der 115 kW (156 PS) leistet, während der Elettrica Veloce mit kraftvollen 207 kW (280 PS) und einem neu entwickelten Frontdifferenzial – identisch mit dem des Abarth 600e – aufwartet.

Doch auch die Basisversion lässt sich sportlich aufrüsten: etwa mit seitenhaltstarken Sabelt-Sitzen, die Emotionen wecken und ein Statement setzen sollen. Allerdings bringt das Fahrwerk die Euphorie schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Straff abgestimmt, zugleich aber spürbar wankanfällig, hinterlässt es in Kombination mit der etwas nichtssagenden Lenkung nur den Eindruck eines soliden „Befriedigend“. Von den legendären Handling-Qualitäten vergangener Alfa-Modelle ist das leider weit entfernt.

Auch die 115 kW wirken eher behäbig – ausreichend für den Alltag, aber ohne sportlichen Reiz. Von null auf 100 km/h geht es in gemächlichen neun Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird bereits bei 150 km/h erreicht. Deutlich wird: Der Junior richtet sich in erster Linie an urbane Fahrer, weniger an jene, die auf der Landstraße dynamische Qualitäten erwarten.

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Batterie & Reichweite: Knapp bemessen

Die 54-kWh-Batterie (netto 51 kWh) des Junior Elettrica soll laut Werk eine Reichweite von 398 bis 410 Kilometern ermöglichen - ein Wert, der sich bereits rechnerisch ambitioniert anhört. Realistischerweise dürften Asketen am Fahrpedal rund 300 Kilometern weit kommen.

Im Testalltag lag unser Verbrauch bei 19 bis 22 kWh pro 100 Kilometer, womit sich eine praxisnahe Reichweite von etwa 230 Kilometern pro 100-Prozent-Ladung ergibt. Geladen wird mit maximal 100 kW, womit die Batterie unter optimalen Bedingungen (die anscheinend selten und nur sehr kurz vorhanden sind) in knapp über einer halben Stunde wieder von 10 auf 80 Prozent gefüllt ist.

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Kofferraum & Ausstattung: Kompakt, aber clever

Der Alfa Romeo Junior Elettrica bietet ein Kofferraumvolumen von ordentlichen 400 Litern - einen Frunk gibt es nicht. Die flache Ladekante erleichtert das Einladen, wird die Rückbank umgeklappt stehen bis zu 1.265 Liter bereit. Gleichzeitig bleibt der Junior durch sein kompaktes Format (4,17 m lang, 1,78 m breit) stadttauglich. Schon die Basisausstattung (ab 39.500 Euro) zeigt sich nicht völlig nackt, höhere Linien wie die hier getestete "Speciale" (ab 41.500 Euro) und "Veloce" (ab 48.500 Euro) ergänzen Sportsitze, exklusive Designakzente und weitere Komfort-Features.

Bei den Assistenten setzt der Junior auf Systeme bis Level 2, darunter aktiver Tempomat, Spurhalteassistent und Verkehrszeichenerkennung. In den Topversionen kommen Matrix-LED-Scheinwerfer, 360-Grad-Parkkameras und eine elektrische Heckklappe hinzu. Der Veloce markiert dabei nicht nur optisch, sondern auch technisch das sportliche Zentrum der Baureihe.

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Innenraum & Infotainment: Italienische Leidenschaft im Cockpit

Das Cockpit des Alfa Romeo Junior ist klar fahrerorientiert gestaltet und vermittelt mit seinem kompakten Lenkrad sowie optionalen Sabelt-Sportsitzen einen sportlichen Eindruck. Die digitalen Rundinstrumente zitieren klassische Alfa-Cannocchiali und sorgen zusammen mit einigen hochwertigen Details für Wiedererkennungswert. Allerdings trüben in den Türtafeln, im unteren Bereich und an weniger exponierten Stellen einfache Kunststoffe den insgesamt guten Eindruck.

Das Infotainmentsystem präsentiert sich modern und übersichtlich, Apple CarPlay und Android Auto gehören zur Serienausstattung. Positiv fällt die gelungene Balance zwischen klarer digitaler Bedienlogik und dem charakteristischen Alfa-Design auf - auch wenn nicht jeder Materialeinsatz dem Anspruch der Marke gerecht wird.

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Fazit

Alfa Romeo steht an einem entscheidenden Punkt. Gerüchte um einen möglichen Verkauf nach China und die ungeduldige Konzernmutter Stellantis setzen die Traditionsmarke unter Druck. Mit dem Junior sollte eigentlich ein neuer Hoffnungsträger ins Rennen geschickt werden. Doch so charismatisch das Design und so gelungen der Auftritt im Innenraum sind – insbesondere der normale Elettrica bleibt hinter den Erwartungen zurück. Es fehlt an echter Leidenschaft und fahrdynamischem Esprit, während der Preis ambitioniert wirkt. Wer auf den ikonischen Scudetto-Grill verzichten kann, findet die gleiche Technik auch bei Konzerngeschwistern von Opel, Citroën, Peugeot oder DS. Und das meist sogar günstiger. (Text & Bild: Maximilian Fisseler)

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